Rededauer: Maximal 3 Minuten / Es gilt das gesprochene Wort
Liebe Henstedt-Ulzburgerinnen und Henstedt-Ulzburger,
gestern Abend musste ich leider die Rede, die ich heute hier für die BFB halten will, umstellen. Sie werden heute von uns in der Sache, für die Sie heute Abend hier sind, außer einem Fazit nicht viel mehr hören können.
Unser Fazit zur Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss lautet: Ja, vor dem aktuellen Hintergrund ist die BFB dafür, den Klageweg gegen die Planfeststellung zu betreten. Warum wir diese Auffassung vertreten können Sie ab Morgen früh auf unserer Homepage www.bfb-hu.de im Detail nachlesen.
Warum erst Morgen und nicht heute hier? Norbert Lammert, ehemaliger Bundestagspräsident, hat einmal in einer Rede über das Herzstück der Demokratie in Deutschland – dem Deutschen Bundestag – gesagt: „Demokratie ist nicht die Entscheidung einer Mehrheit in einer Frage, sondern die Art und Weise, wie Minderheiten bei der Entscheidungsfindung zu Wort kommen durften“.
Die Politik der Gemeinde hat sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt für drei Minuten Redezeit pro Fraktion festgelegt. Wenig später wurde der BFB klar, dass in drei Minuten der Sachverhalt von fünf Jahren und die sich daraus ergebenen Einzelheiten wie
- Umweltzerstörung ohne Not auf der gewählten Trasse, statt die auch mögliche Trasse an der zukünftigen A20 zu nehmen,
- Mindestens 100 Million Euro mehr Gesamtkosten im Vergleich zu der möglichen Trasse an der A20
Ihnen unmöglich zu vermitteln sind. Zu dem Thema Umweltzerstörung läuft im Hintergrund eine kleine Image-Darstellung der Dinge, die wir heute schon sehen können. Es kommt aber noch wesentlich schlimmer!
Selbstverständlich haben wir versucht, die Redezeiten zu verlängern. Leider informierte mich unser Bürgervorsteher gestern Abend, dass alle anderen Fraktionen dieser Verlängerung nicht zustimmen wollen. Was nun? Soll ich mir nach 3 Minuten 30 Sekunden das Mikrophon abstellen lassen. Nein, damit hätten Sie die notwendigen Informationen auch nicht. Also haben wir beschlossen, den Weg der schriftlichen Kommunikation über unsere Homepage zu gehen.
Nach einem kurzen Moment des Nachdenkens, warum denn die restliche fünf Fraktionen die Verlängerung der Redezeit um gerade einmal zwei Minuten verweigern, kommen wir zu folgendem Ergebnis:
- Bündnis90/Grüne sind schon vor langer Zeit auf die Linie der Bundesregierung geschwenkt, die aktuell auch von der Landesregierung und seinem Minister Goldschmidt geteilt wird.
- Die SPD ist – wen wundert es – ebenfalls schon vor längerer Zeit auf die Seite der Ampel gewechselt.
- Die FDP, bislang ein treuer Verbündeter der BFB gegen die Stromcity Henstedt-Ulzburg, hat sich offensichtlich der Parteilinie der Landtagsfraktion angeschlossen. Was wollen wir auch erwarten, wenn der Fraktionsvorsitzende der Landtagsfraktion verkündet „er habe die Schnauze voll von Kommunen, die die Energiewende behindern“
- Und die CDU: Na ja, mir fehlen die Worte.
Wir sind somit die einzig verbliebene Opposition der Gemeindevertretung in dieser Frage.
Vielen Dank
Hier nun die Rede, die eigentlich gehalten werden sollte:
Sehr geehrte Stromkundinnen und Stromkunden – ja liebe Henstedt-Ulzburger und Ulzburgerinnen, ich spreche Sie ganz bewusst so an.
Wir haben bislang von der TenneT und der Verwaltung viel gehört über die Notwendigkeit der Ertüchtigung von Stromleitungen, der technischen Ausführung und vielem mehr. Das alles wird von uns auch nicht bestritten!
Hier geht es aber nicht um das „ob“ einer Leitung, sondern um das „wie und wo“.
Die Trasse, die jetzt planfestgestellt ist, kosten ca. 260 Millionen Euro, alleine 100 Millionen davon für die ca. 900 Meter Düker. Wieviel sind 100 Millionen? Ich bin nur auf die Mittelschule gegangen und kann mir solche Summen nicht recht vorstellen. Aber ein Vergleich mag helfen, diese Summe einzuordnen. Der Gemeindehaushalt unserer Kommune beträgt im Jahr 2023 ca. 97 Millionen Euro, hinzu kommen noch einmal die etwa 17 Millionen des Vermögenshaushaltes, aus dem wir unsere Investitionen bezahlen. Das Fazit der BFB: Die wenigen Meter Erdkabel kosten so viel, die Henstedt-Ulzburger Verwaltung in einem ganzen Jahr ausgibt; für Personal, für Mieten, für Kitas, für Straßen und die gesamte Infrastruktur, einfach für alles!
Und nun kommen Sie als Stromkunde ins Spiel. Sie sind zwar betroffen, können sich aber nicht dagegen wehren, da der Gesetzgeber dem vorsichtshalber einen Riegel vorgeschoben hat. Diese – in unseren Augen vollkommen unnötigen 100 Millionen Euro zahlen Sie alle in Form der gesetzlich festgelegten Netzumlage. Und diese richtet sich nach der Höhe der getätigten Investitionen, beispielsweise der TenneT, und sich bundeslandbezogen. Unnötige 100 Millionen Euro – warum unnötig? Weil die notwendige Leitung auf der Trasse der zukünftigen A20 genau diese 100 Millionen Euro unseres gemeinsamen Geldes weniger kosten würde.
Übrigens, Netzendgelte. Die durchschnittlichen Jahreskosten für jeden Henstedt-Ulzburger aktuell 507,00 €, für jemanden aus Mecklenburg-Vorpommern 479,00 €, für die Baden-Würtenberger 351,00 € und für einen Bayern nur noch 321,00 €. Sie merken also: Sie sind ziemlich betroffen!
Ein für uns fast noch wichtigerer Aspekt ist die Umweltzerstörung, die auf der jetzt planfestgestellten Trasse zwangsläufig erfolgt. Und dass ohne Not. Ja, auch die Trasse an der A20 hätte negative Umweltfolgen, aber bei weitem nicht in dem Ausmaß, wie sie jetzt bei uns schon heute zu sehen sind. Die Trasse an die zukünftige A20 zu legen, hätte neben der Belastung die sich ohnehin schon aus dem Bau der Autobahn ergibt nur noch vier Punktfundamente für die Freileitungsmasten bedeutet. Alleine in unserem Ort:
- 960 Meter dauerhaft zerstörter Knicks
- Fällung von 20 Überhältern, geschützt durch das Bundesnaturschutzgesetz
- 80.000 m² Vernichtung von Ackerland im Bereich des Erdkabels
- 180.000 m³ Bodenaushub mit den unkalkulierbaren Folgen für die
Biodiversität. - Entfall von ca. 100 weiteren Bäumen
Für die Henstedt-Ulzburger Politik und für die BFB stellt sich nun die Frage:
- Was können wir tun und
- Was wollen wir tun?
Was können wir tun: Wie schon erwähnt, hat die Gemeinde die Möglichkeit juristisch gegen den Planfeststellungsbeschluss vorzugehen. Im Kern müssen wir vor dem Verwaltungsgericht in Leipzig nachweisen, dass der Planfeststellungbeschluss rechtsunwirksam ist. Hierzu hätten wir eine Fülle von Argumenten, eines habe ich eingangs erwähnt: Die fehlerhafte Abwägung bezogen auf die Kosten der verglichenen Trassen an der A20 und durch Henstedt-Ulzburg. Die Gemeinde hat ihre Überlegungen in dieser Richtung noch nicht abgeschlossen. Wenn wir gegen den Planfeststellungsbeschluss vorgehen wollen, müssen wir das bis Ende Dezember in die Wege geleitet haben. Wir möchten Sie aber nicht darüber im Unklaren lassen, dass unsere Aussichten in Leipzig zu gewinnen, mehr als dürftig sind.
Was will die BFB: Wir sind aktuell für den Klageweg! Egal wie groß unsere Chancen sind. Bei so wenig Widerstand gegen eine umweltpolitische Fehlentscheidung und auch eine wirtschaftlich nicht nachzuvollziehende Belastung für alle Bürgerinnen und Bürger in Henstedt-Ulzburg und darüber hinaus, stehen wir auf dem Standpunkt, dass – wenn es schon die eigentlich doch der Umwelt verpflichteten Verbände nicht tun – wir gegen diesen Unsinn bis zum bitteren Ende vorgehen sollten. Auch wenn unsere Chancen schlecht sind, wir sind es unseren Kindern, dem Ort und letztendlich auch dem Land schuldig, unsere Stimme zu erheben!
- Alleine der schon eingangs erwähnte wirtschaftliche Aspekt erfordert unseres Erachtens nach, den Gang nach Leipzig – und sei es nur um aufzuzeigen, dass sinnlose Geldverschwendung angezeigt wird.
- Die heute schon sichtbaren Umweltaspekte. Jeder kann sehen, wie stark die Umwelt bei der Realisierung der Maßnahme in Mitleidenschaft gezogen wird. Wir finden es mehr als befremdlich, dass ausgerechnet die Henstedt-Ulzburger Fraktion von Bündnis90/Die Grünen sich lächelnd vor dem Hintergrund einer Mondlandschaft auf der TenneT-Baustelle abbilden lassen.
Wir haben uns bemüht von der Autorin die Genehmigung für die Veröffentlichung zu bekommen – leider vergebens. Den gesamten Artikel der Kieler Nachrichten / Segeberger Zeitung können Sie unter dem Link: Arbeiten für Erdkabel der 380kV-Ostküstenleitung in Kisdorf laufen (kn-online.de) nachlesen. - Die gemeindliche Betroffenheit bezüglich der Henstedt-Ulzburger Bauleitplanung. Auch hier sind die GRÜNEN wieder ganz weit vorne. „Keine Bebauung Beckershof“, so der aktuelle Beitrag im Ortsentwicklungsausschusses am 6. November. Und die Realität, die das grün-geführte Umweltministerium in Schleswig-Holstein im Kopf hat ist: 10 ha Umspannwerk auf dem Beckershofgelände und dann Ansiedlung energieintensiver Betriebe – also ein großes neues Gewerbegebiet ohne aktuelle Autobahnanbindung. Das ist nicht die Politik der BFB. Ja, wenn wir die Maßnahme nicht stoppen können und das Umspannwerk dann dasteht, macht Industrieansiedlung natürlich Sinn. Aber nur in Verbindung mit sinnvollem Ausbau der Infrastruktur – beispielsweise einem zusätzlichen Autobahnanschluss Höhe Kadener Chaussee. Auch ein Projekt, was GRÜNE und WHU seit Jahren konsequent ablehnen.
- Keine Strom-City Henstedt-Ulzburg; so plakatierte die FDP im Kommunalwahlkampf. Und sie hatte Recht! Wenn wir uns nicht weiter wehren, wird es so kommen.
Vielen Dank
Stand: 28. November 2023 / JIV